Vor genau einem Jahr bekamen wir die Nachricht, dass der Lavendelopa unheilbar an Krebs erkrankt ist. Ein kleinzelliges Lungenkarzinom im fortgeschrittenen Stadium hatte sich in seinem Körper breit gemacht. Die Lebenserwartung betrug nach Diagnose vier bis sechs Monate. Für uns alle ein Schock. Von einem auf den anderen Moment prägten Angst, Fassungslosigkeit und Verzweiflung unser Leben. Wir wussten, dass die Zeit, die uns mit dem Lavendelopa bleibt, begrenzt ist. Doch sollten wir das auch den Lavendelkindern sagen?
Mit Kindern über Krebs sprechen
Selten waren wir uns als Eltern so unsicher. Wir wollten die Lavendelkinder nicht unnötig belasten oder ihnen Angst machen. Dennoch hatten wir das Bedürfnis ehrlich zu sein.
Doch was sollten wir den Lavendelkindern sagen? Weder die Ärzte noch wir selbst wussten, wie die Krebserkrankung des Lavendelopas verlaufen würde. Und dann war da immer noch die stille Hoffnung, dass alles gut ausgehen würde.
Unser Credo: Immer ehrlich sein
Kurz nach Beginn der palliativen Chemotherapie fielen dem Lavendelopa die Haare aus. Statt unsere Kinder zu belügen, entschieden wir uns für den ehrlichen Weg. Wir wollten vermeiden, dass wir den richtigen Zeitpunkt verpassen.
Da die Lavendelkinder sehr feinfühlig sind, waren wir uns sicher, dass sie unsere Anspannung und Sorge um den Lavendelopa ohnehin spüren würden. Das ständige Warten auf den entscheidenen Anruf und die vielen (heimlichen) Gespräche taten ihr übriges.
Wir sagten den Lavendelkindern also möglichst altersgerecht, dass ihr Opa schwer krank ist und es sein kann, dass er an der Erkrankung stirbt. Wir erklärten ihnen, dass er an Krebs erkrankt ist. Sie sollten wissen, dass er eine Behandlung bekommt, die gegen die Krankheit ankämpft und dass es ganz normal ist, dass er dabei seine Haare verliert. Wir wollten vermeiden, dass sie völlig ahnungslos auf den plötzlich haarlosen Lavendelopa treffen.
Eltern-Kind-Beziehung: Vertrauen als Basis
Außerdem sagten wir ihnen, dass wir immer als Ansprechpartner für sie da sind. Uns war es wichtig, dass die Kinder Vertrauen zu uns haben.
Sie sollten sich mit ihren Ängsten und Sorgen nicht allein gelassen fühlen. Wann immer sie Fragen hatten oder sich unsicher fühlten, sollten sie auf uns zukommen. Wir wollten verhindern, dass sich die Kinder zurückziehen oder sich nicht ernst genommen fühlen.
Wir haben ihnen in den Monaten der Erkrankung viele Gesprächsangebote gemacht. Wann immer sie sich mehr Informationen wünschten, haben sie sie bekommen. Bei unseren Gesprächen sind immer bei der Wahrheit geblieben und haben versucht, keine Versprechungen zu machen.
Gespräche helfen
In diesem Fall war es mir wichtig, der Fantasie der Kinder wenig Raum zu lassen. Ich kenne es leider von mir selbst, dass ich mich schnell in etwas reinsteigere. Meine Erfahrung: Halbwissen führt zu realitätsverzerrenden Fantasien. Schnell befindet man sich in einer Gedankenspirale, aus der man nicht mehr herauskommt.
Je mehr die Kinder wissen, desto geringer ist die Gefahr, dass die Fantasie ihr Übriges tut. Achtet jedoch unbedingt darauf, die Informationen altersgerecht zu vermitteln. Vermeidet es, den Kindern unnötig Angst zu machen. Tiefergehende Informationen haben die Lavendelkinder nur bekommen, wenn sie explizit danach gefragt haben.
Alle Gefühle sind erlaubt
Außerdem war es uns wichtig, dass Gefühle offen gezeigt werden. Wir haben vor den Kindern geweint. Sie wussten, dass die Situation auch für uns schwierig ist. Sie haben uns ratlos, verzweifelt und ängstlich erlebt. Uns war es wichtig, dass alle Gefühle erlaubt sind.
Unser Umgang mit der Krebserkrankung des Lavendelopas hat uns gezeigt, dass Kinder mit den Themen Krankheit und Tod viel besser umgehen können, als wir denken. Sie sind oft viel belastbarer als vermutet.
Es ist es wichtig, dass Krankheit und Tod keine Tabuthemen in der Familie sind. Beides gehört zum Leben (leider) dazu. Es ist wichtig, dass Kinder den Umgang damit von klein auf lernen. Nur so können sie Bewältigungsstrategien kennenlernen.
Leider waren wir letztes Jahr auch in der Situation – nur mit der Oma. Und dieses Jahr hat es den Opa getroffen – beides Mal unheilbarer Krebs. Wir versuchen zu vermitteln dass wir auch nicht wissen wieviel Zeit uns mit Opa noch bleibt, aber trotzdem auch Normalität zu leben – und auch mal ein Wochenende nicht ins Seniorenheim zu gehen – denn es ist für Kinder bestimmt noch anstrengender als für uns- zu sehen wie ein geliebter Mensch abbaut, die Gerüche usw. Normalerweise besuchen wir ihn am Wochenende gemeinsam und mein Mann nochmal alleine. Gleichzeitig will man ja auch die Zeit die bleibt nutzen aber nicht jedes Wochenende lässt sich immer danach ausrichten.