Cytotec Erfahrungsbericht

Cytotec: Geburtseinleitung aus der Hölle – Erfahrungsbericht

Sieben Tage war ich damals über dem Termin, als der Lavendelpapa auf Anraten der vertretenden Frauenärztin im Krankenhaus anrief. Er sollte fragen, ob wir zum Einleiten kommen müssen oder noch warten können. (Ich weiß, dummer Anfängerfehler.) Die Werte waren alle im guten Bereich. Der Lavendeljunge brauchte einfach noch Zeit. Die Dame am Telefon war da allerdings anderer Meinung. Der Lavendelpapa wurde angefahren, warum er erst jetzt anruft. Wir sollten am nächsten Tag pünktlich um acht Uhr im Krankenhaus zur Einleitung sein.

Es folgte eine schlaflose Nacht, in der ich krampfhaft versuchte, endlich doch noch Wehen zu bekommen. Ich wollte keine eingeleitete, sondern eine selbstbestimmte Geburt. Doch es sollte alles ganz anders kommen.

Am Morgen fuhren wir völlig übermüdet zum Krankenhaus. Nach einer kurzen Untersuchung mit Ultraschall, „Das ist ja ein riesen Brummer. Der muss dringend raus.“, bekam ich eine Tablette zum Einleiten.

„Es handelt sich eigentlich um ein Magenschutzmittel, das aber Kontraktionen der Gebärmutter auslöst und damit Wehen fördert. Da es dafür offiziell nicht zugelassen ist, brauchen wir hier Ihre Unterschrift. Sollten keine Wehen einsetzen, bekommen Sie weitere Tabletten von uns.“

Cytotec sollte mein Leben verändern

Nachdem der Lavendelpapa und ich uns mehr als einen halben Tag auf den Krankenhausfluren herumgedrückt hatten, wurde ich langsam ärgerlich. Ich bekam weder ein Zimmer noch Wehen. Ich wollte wieder nach Hause in mein Bett. Doch das ginge leider nicht, wie man mir mitteilte. Schließlich sei ich stationär aufgenommen. Ich dürfte auf keinen Fall das Krankenhausgelände verlassen.

Mir ging das alles gegen den Strich. Ich hatte mir eine ambulante Geburt gewünscht. Auf keinen Fall wollte ich „unnötige Stunden“ im Krankenhaus verbringen.

Ich konnte nur noch schreien

Nach dem Abendessen bekam ich meine dritte Portion Cytotec. Kurze Zeit später wusste ich nicht mehr wo oben und unten war. Die Wehen setzen so plötzlich und so heftig ein, dass ich es gerade noch auf ein Klinikbett schaffte. Es waren Schmerzen aus der Hölle, die mich quälten. Die Wehenpause so kurz, dass ich nicht zum Erholen kam. Ich presste die Hand des Lavendelpapas, schrie und wollte, dass es endlich vorbei ist. Doch das war es noch lange nicht.

Da die Wehen zu schnell und zu heftig kamen, wen wundert das im Nachhinein, bekam ich zunächst wehenhemmende Mittel; Später eine PDA. Dann wieder wehenfördernde. Im Augenwinkel nahm ich wahr, wie über einen Tropf Flüssigkeit in meine Vene floss. Ich hatte keinen Überblick, was ich da eigentlich bekam. Ich fühlte mich außer Stande zu agieren. Die Hebamme wird schon das Richtige tun.

Plötzlich geriet alles außer Kontrolle

Plötzlich begann die Panikmache. Die Herztöne vom Lavendeljungen wären schlecht. Die Geburt müsste schneller voran gehen. Die Hebamme besprach sich mit der Ärztin. Für einen Kaiserschnitt war es zu spät. Stichworte wie Saugglocke und strengen Sie sich doch mal mehr an, fielen.

Irgendwann schnitt die Hebamme, ohne vorher ein Wort mit mir zu sprechen, meinen Damm, ritzte die Fruchtblase an und warf sich vom oben auf meinen Bauch. Der ganze Kreißsaal war voller Blut. Es sah aus, als hätte es ein Massaker gegeben. Mit einem Kristeller-Handgriff wurde der Lavendeljunge letztendlich auf die Welt geholt und dem Lavendelpapa, natürlich erst nach der U1, auf den Arm gelegt.

Zurück blieb ein Gefühl von Enttäuschung, Angst und Wut

Über meine Wangen liefen Tränen. Tränen, dass es endlich geschafft war und Tränen vor Enttäuschung und Wut. Ich lag da, völlig entblößt und erschöpft. Überall um mich herum war Blut. Eigentlich wollte ich nur meinen Sohn in meinem Arm halten, ihn spüren, an ihm schnuppern. Stattdessen wurde ich von einer unerfahrenen Ärztin halbherzig wieder zusammengeflickt.

Plötzlich ergab alles einen Sinn

Ich blieb ohnmächtig und traumatisiert zurück. Erst im Nachhinein verstehe ich langsam, was mir passiert ist. Als in den letzten Tagen die ersten Artikel über die Gefahr von Cytotec aufploppten, bekam ich Gänsehaut. Plötzlich ist meine Geschichte, mit der ich lange zu arbeiten hatte, greifbarer. Plötzlich passte alles zusammen und ergab einen Sinn.

Cytotec birgt ein großes Risiko für Mutter und Kind. Im schlimmsten Fall endet es für beide tödlich. Das Tragische: Laut einer Umfrage benutzt die Hälfte der deutschen Kliniken Cytotec zur Einleitung der Geburt.

Wenn man es so betrachtet, hatten der Lavendeljunge und ich großes Glück.

Übrigens: Der Lavendeljunge wurde mit 3750 g geboren und war alles andere als ein besonders dicker Brummer.

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Anika

Hier schreibt Anika. Ich bin 40 Jahre alt und Mutter von zwei wundervollen Kindern. Zusammen mit dem Lavendelpapa, dem Lavendeljungen (13 Jahre) und dem Lavendelmädchen (10 Jahre) wohne ich im wunderschönen Lüneburg. Von hier aus unternehmen wir viele kleine und große Reisen in die nähere Umgebung und in die weite Welt. Ich bin Liebhaberin des Lebens, des Reisens, guten Essens und schöner Dinge. Reisen, backen, basteln und fotografieren sind meine Leidenschaft. Mit dem Bloggen habe ich 2010 begonnen, als ich an meiner Doktorarbeit schrieb und einen Ausgleich zur wissenschaftlichen Arbeit suchte. Eigentlich bin ich Pädagogin und Literaturwissenschaftlerin, was sich auch in den Blogthemen widerspiegelt. Seit 2016 blogge ich hauptberuflich.

7 Gedanken zu „Cytotec: Geburtseinleitung aus der Hölle – Erfahrungsbericht“

  1. Ich könnte weinen wenn ich das lese, fühl Dich gedrückt. Mit den ganzen Berichten und dem in derr Zeitung dass auch die Klinik in der ich bei der Großen war diese Tablette eingesetzt hab kommt hoch was ich verdränge und woran ich immer noch zu knabbern habe. Ich war auch 10 Tage über dem ET (inzwischen, durch den beobachteten Zyklus meiner Schwester die nicht so einfach schwanger wurde, vermute ich dass bei mir der Eisprung wie bei ihr nach hinten verschoben ist, der ET also als zu früh berechnet wurde) und musste dann ins KH zum Einleiten. Ich wollte eigentlich nicht aber ließ mich überreden weil man ja unter Druck gesetzt wird dass es sonst gefährlich wird fürs Kind (4kg). Ich bekam dann 4 Tage das volle Programm – Tabletten, Gel, Wehentropf und Blase aufstechen. Ich hatte 4 Nächte unter CTG im Kreißsaal so gut wie nicht geschlafen, bin tagsüber kilometerweit treppauf treppab usw. damit es endlich losgeht. Und dann, von jetzt auf nacher – Wehen ohne Pause, ich brauchte zig Anläufe um klar zu machen ich muss zurück aufs Bett. Ich bekam keine Luft mehr, mir war schlecht, ich hatte Schmerzen, Schwindel, konnte mich gegen nix mehr wehren – der Arzt kam, es wurden Wehenhemmer gegeben, die aber so stark war dass ich gar keine Wehen mehr hatte. Ich war da schon total fertig. Und dann meinte der Arzt ohne dass er mit mir oder meinem Mann vorher darüber gesprochen hat – „jetzt dauerts mir zu lang, wir machen einen Kaiserschnitt“ und ging zur Tür raus – ich war nur am heulen, ich wollte nicht, aber das interessierte keinen, der Anästhesist kam und ruckzuck war im im OP – Notkaiserschnitt. Es war die Hölle, ich bekam vor lauter Heulen keine Luft mehr, konnte mir ja nicht die Nase putzen, dann wurde mir meine Maus kurz gezeigt und weg waren Hebamme, Mann und Baby. Ich war allein, schutzlos, ausgeliefert und bekam alles voll mit als Hektik ausbrach weil die Blutungen nicht zu stoppen waren, gefühlt lauter Hände auf/in dem Bauch, der Arzt drückte mir eine Infusion nach der anderen rein, ein anderes Medikament wurde angefordert und kam irgendwann. Ich wusste zwischendrin nicht ob ich das überlebe, ob ich mein Baby noch sehe. Keiner der Anwesenden sprach auch nur ein Wort mit mir, ich fühlte mich wie auf der Schlachtbank und keiner hatte ein beruhigendes Wort oder Geste. Traumatisiert und total erschöpft kam ich irgendwann auf die Intensiv. Auch dort bekam ich mein Baby nicht, irgendwann bin ich erschöpft weggedämmert- mit dem Gepiepse im Ohr usw. Am nächsten Morgen wurde ich auf mein Zimmer gebracht. Ich hab sofort nach meiner Maus gefragt – auch da bekam ich sie nicht. Ich hab sie dann so lange genervt bis man mir irgendwann mein Kind brachte. Und obwohl ich zum ersten Mal Mama wurde hat keiner danach geschaut ob das mit dem Stillen klappt. Theorie und Praxis sind schließlich 2 Paar Sachen. Und auch mein Mann wurde am Abend verscheucht, derweil konnte ich nicht aufstehen, hatte noch sämtliche Schläuche usw. drin (am PDA Schlauch hatte ich mich da schon Wund gelegen, Katheter, alles blieb dran – ich denke dass sie ggfs schnell mit mir hätten in den OP zurück können). Es hat Tage gedauern bis ich es das erste Mal geschafft hab mich am Babybettchen festklammernd gekrümmt vor Schmerzen ins Babyzimmer zum Wickeln zu fahren. Dort hat dann auch sie Schwester gesehen als die Maus trinken wollte wie meine Brustwarzen aussahen und hat die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und schnell eine Salbe besorgt. Wir wollten immer eine Rücksprache, noch im Krankenhaus, aber es war niemand bereit zu reden. Ich wurde mit Eisen vollgepumpt – von der Schwester erhielt ich bei der Entlassung den Hinweis dass mein Eisenwert so nierdrig sei (auf Grund des Blutverlustes) und ich da dran bleiben muss. Ich hab fast ein Jahr gebraucht bis das Langzeiteisen aufgefüllt war. Mich hat das Thema nicht losgelassen (die Schmerzen auch über ein Jahr nicht). Nach langem Hin und Her haben wir nur einen Termin beim Chefarzt bekommen (nicht bei dem der alles veranlasst hatte) – sein Kommentar als ich den unmenschlichen Umgang beklagt hatte „Der Arzt sein ein guter Operateur und ich soll doch froh sein dass ich meine Gebärmutter noch habe“ – Auf Anraten der Hebamme habe ich den OP Bericht angefordert – eine Weile stand es nicht gut um mich, ich war kurz vor der Bluttransfusion. Wenn die anderen Medikament nicht geholfen hätten – naja, nach der Aussage war dann auch klar was mir geblüht hätte. Die Art wie mir Erstgebärenden umgegangen wird bzw. generell mit Gebärenden – es hat mich entsetzt, wütend und traurig gemacht – ich kam mir nicht vor wie ein eigenständiger Mensch sondern komplett fremdbestimmt. Ein Ereignis das eigentlich Anlass zur Freude war hat etwas kaputt gemacht. Meine Hebamme hatte Verständnis aber aufarbeiten geht nicht in ein paar Terminen… Ich war froh meine Maus zu haben aber diese Horrogeburt nach einer unbeschwerten Schwangerschaft war eins der schlimmsten Ereignisse in meinem Leben.

    1. Vielen lieben Dank für deine Geschichte. Sie berührt mich sehr. Ich kann sie so gut nachvollziehen und sehe die Situationen bildlich vor mir. Auch ich hatte einen hohen Blutverlust und Wochen nach Geburt keine Kraft. Der kleinste Schritt war anstrengend, der Blutdruck im Keller. Nichts, was man sich als frisch gebackene Mutter wünscht. Im Krankenhaus ging es mir so wie dir. Nach der Geburt war ich auf mich allein gestellt. Niemand zeigte mir, wie man stillt. Der Lavendelpapa wurde aus dem Zimmer geworfen. Ich fühlte mich so unglaublich allein. Die Erinnerungen an die Zeit sind einfach nur schrecklich.

  2. Bei mir wurde – vor nunmehr 27 Jahren – auch die Geburt meine Sohns eingeleitet, weil er einige Tage überfällig und ebenfalls ein „solcher Brummer“ war. Damals mit Wehentropf, aber mit dem selben Ergebnis. 12 Stunden die schlimmsten Wehen am Stück, dann Wehenhemmer und Wehenmittel im Wechsel und am Emde die gleiche Schlachthaussituation. Genau dies sagen dann auch der Vater und meine Mutter, die nach der Geburt in den Kreißsaal kam. Es sah aus wir im Schlachtbetrieb, das Blut lief von den Wänden und ich wäre fast gestorben. Ich war jung, ich war sportlich und fit, alles war bis zum Einleiten bestens und ich hatte mir auch eine sanfte und natürliche Geburt gewünscht. Ich bin danach leider auch nie mehr schwanger geworden (was sich niemand wriklich erklären konnte) und so musste es bei diesem einem Kind gelieben. Ich habe mir immer vier gewünscht. Vielleicht war es das Trauma oder sie haben doch körperlich etwas verpfuscht. Mein Sohn ist zum Glück gesund, wird in diesem Jahr 28 und ich bin so froh ihn zu haben. Aber es hätte auch anders ausgehen können.

    Liebe Grüße
    Chris
    https://stylepeacock.com

    1. Es ist schrecklich und gleichzeitig so wichtig solche Geschichten zu lesen. Eigentlich sollte eine Geburt das selbstverständlichste und natürlichste der Welt sein. Schlimm, dass so stark eingegriffen wird.

  3. Nun ich wollte auch mit cytotec eingeleitet allerdings erst ab dem 10 Tag und dann auch nur zuerst ein Tag eine viertel Tablette am nächsten Tag eine halbe Tablette und dann war es eigentlich auch schon soweit dass die Wehen eintraten.nach acht Stunden war dann meine Kleine auch mit 3750 gr. dann da. Die Wehen waren normal und unproblematisch. Aber ich glaube das liegt womöglich an der Dosierung und das sonst nichts außer alternativen Methoden gemacht worden ist. Beim zweiten Kind wollten sie dann auch einleiten weil die Wehen zu lange ging und bei ihm hier ist es eher wäre so um die 3800g. Letztendlich waren es doch 4500 Gramm. nachdem ich dann fast zehn Stunden in den Wehen lag heute die Hebamme mir auch wehenfördernde Mittel geben. aber beim zweiten Kind ist man ja auch schlauer und ich habe ihr gesagt wie wäre es mal sie untersuchen nicht mal wie weit der muttermund eigentlich geöffnet ist. lange Rede kurzer Sinn ich war schon bei 5cm die Hebamme war sehr überrascht und innerhalb von drei Stunden war er dann da. Ohne wehenfördernde Mittel. Es ist ein Graus wenn man hört wie viele geburtshäuser zuschließen und Hebammen wohlgemerkt erfahrene Hebammen aufhören hausgeburten zu machen da die Versicherungen einfach nicht mehr zu bezahlen sind. Und das spiel Rahmen für eine natürliche selbstbestimmte Geburt wird immer geringer.

  4. Wie gut, dass du all das nach den vielen Jahren noch aufgeschrieben und damit auch öffentlich gemacht hast. Es tut mir sehr leid, dass du all das erleben musstest, wahrscheinlich völlig ohne Grund und ohne Entschuldigung.
    Für dich hoffe ich, dass deine Wunden irgendwann heilen.
    Ich bin gerade mit dem dritten Kind schwanger und habe mich schon beim ersten Kind für eine außerklinische Geburt entschieden (Was nicht nur Wille, sondern auch Glück mit einer komplikationslosen Schwangerschaft und die Erreichbarkeit eines Geburtshauses zur Voraussetzung hatte). Nach einer Geburtshausgeburt und einer Hausgeburt mit sehr guten Verläufen werde ich immer wütender, wenn ich von den Verläufen in Kliniken höre. Ich war z.B. bei der zweiten Geburt auch eine Woche über Termin und habe letztendlich ein Baby mit über vier Kilo in ca. drei Stunden auf die Welt gebracht, obwohl ich selbst extrem klein und zierlich bin. Warum müssen also die angeblichen „Brummer dringend raus“?
    Die Panikmache schon im Vorfeld regt mich auf und ich wünsche mir, dass möglichst viele Frauen den Zuspruch bekommen, die Geburt soweit medizinisch möglich, selbst aktiv zu gestalten und mit ihnen auf Augenhöhe kommuniziert wird. GlG Maren

    1. Vielen lieben Dank für deinen Kommentar. Sollte ich jemals mit einem dritten Kind schwanger sein, würde ich mich auch auf jeden Fall für eine Hausgeburt oder ein Geburtshaus entscheiden. Von Krankenhäusern habe ich definitiv die Nase voll – auch wenn die zweite Geburt in einem anderen Krankenhaus (Hebammen-geleiteter Kreißsaal) dagegen ein Traum war.

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